Bürgergeld ./. Neue Grundsicherung |

 

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, sehr geehrter Herr Abgeordneter,

mit diesem offenen Brief wende ich mich an Sie, da Sie maßgeblich an der Gestaltung des Koalitionsvertrages beteiligt sind.

thomas wasilewskiIn der Politik-Talkshow "hart aber fair" hatten wir im März 2024 die Möglichkeit, uns persönlich zu begegnen und über das Bürgergeld zu sprechen. Nach der Sendung wurde mir schmerzlich bewusst, dass Politiker oft in ihrer eigenen Blase gefangen sind und unter der Reichstagskuppel in Berlin von den Nöten der armen Menschen isoliert sind und nichts davon mitbekommen. Das hat bittere Konsequenzen für die Bürger. - Wie es einmal treffend hieß: „Die Stimmen der Armen verhallen ungehört im Raum der Mächtigen.“ – oder - Die Anliegen der armen Bürger scheinen einfach nicht in den Köpfen aller Einflussreichen anzukommen. -

Als von Armut betroffener Ehrenamtlicher bei den Suppentanten e.V., der Tafel e.V. und dem Bündnis für Menschenwürde und Arbeit in Mönchengladbach möchte ich heute meine Unzufriedenheit über die angstmachende "Neue Grundsicherung" zum Ausdruck bringen. Diese Regelung führt nicht nur zu einer verschärften Drangsalierung der Betroffenen, sondern wirft auch alarmierende Fragen hinsichtlich des christlichen und solidarischen Miteinanders auf.

Viele Schwächere haben den Eindruck, dass die Politik die Armut verharmlost und verschleiert, während sie gleichzeitig großzügige Steuersenkungen für die Reichen beschließt und gegen die Armen brutale, existenzbedrohende Strafen verhängt.

Für Sie ist es Zeit, denjenigen Gehör zu schenken, die in der politischen Arena nichts zu sagen haben. Die Ungerechtigkeit in den politischen Entscheidungen ist offensichtlich und geht klar auf Kosten der Schwächsten. Sie sollten im Koalitionsvertrag Maßnahmen gegen diese einseitige Bevorzugung der Starken ergreifen. Soziale Sicherheit und Gerechtigkeit sind die fundamentalen Säulen und zentralen Aufgaben der Politik.

Die Realität vieler Menschen, die auf das Bürgergeld angewiesen sind, ist von Vorurteilen geprägt. Bürgergeldbezieher sind oft die Buhmänner, da sie sich am wenigsten wehren können, und es ist immer am einfachsten, gegen die Schwächsten zu treten. Wenn sie ständig hören müssen, dass ihre Arbeitslosigkeit als „zu begünstigt“ angesehen wird, wird ihre Würde verletzt. Neid, Hass und Hetze gehören zum Alltag der Bürgergeldbezieher. Gleichzeitig steigen die Lebenshaltungskosten unaufhörlich. Der Vorwurf, Bürgergeldbezieher lebten sorglos in einer "Hängematte", verletzt ihre Menschenwürde. Als ehrenamtlicher Helfer erlebe ich täglich hautnah, wie Armut unser gesellschaftliches Miteinander belastet.

Diese soziale Ausgrenzung ist kein Zufall; sie ist das direkte Ergebnis der Politik der etablierten Parteien. Ich wehre mich entschieden gegen diese Politik! Wie Bertolt Brecht treffend sagte: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Es ist höchste Zeit, dass Sie für eine gerechtere Gesellschaft einstehen – nicht nur für die Schwachen, sondern für alle.

Deshalb wende ich mich an Sie. Meine Erfahrungen beim Bündnis für Menschenwürde und Arbeit sowie bei der Tafel und als Teil der Suppentanten haben mir gezeigt, wie dringend Veränderung notwendig ist. Regelmäßig verteilen wir warme Mahlzeiten an Menschen, für die Lebensmittel unerschwinglich geworden sind. Der Ansturm auf die Mönchengladbacher Tafel ist erschütternd gewachsen.

Im Rahmen meiner Aktivitäten mit dem Bündnis werde ich immer wieder mit der Empörung der Bürger konfrontiert, die das „Schönreden“ der politischen Lage kritisieren. Die Menschen haben einfache, aber grundlegende Erwartungen an den Staat: Gesundes Essen sollte für alle Menschen in Deutschland möglich sein.
Ich lade Sie herzlich ein, den Stimmen der Menschen Gehör zu schenken und hoffe, Sie werden die Kraft für eine positive Entwicklung sein.

Das Lesen des Sondierungspapiers von CDU, CSU und SPD ist für mich eine seelische Belastung und gibt mir wenig Hoffnung. Es ist unverständlich, dass das drängende Thema der Armutsbekämpfung in diesem Dokument ignoriert wird, was sowohl unchristlich als auch unsozial ist. In unserem Deutschland hat jeder Mensch das Grundrecht, in Würde zu leben – und es ist an der Zeit, dass Sie diese Verantwortung auch im Koalitionsvertrag zum Ausdruck bringen.

Die Hinweise zu einer „Neuen Grundsicherung“ sind keine Fortentwicklung des bisherigen Systems, sondern schlicht eine Rückabwicklung des Bürgergeldes. Daher ist es wichtig, die Diskussion über notwendige Verbesserungen zu fördern, um diese Herausforderungen anzugehen. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen Anregungen zur Reform der „Neuen Grundsicherung“ vorstellen:

 

1. Erhöhung des Regelsatzes: Eine Anhebung des Regelsatzes auf mindestens 813 Euro, um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und grundlegenden Lebenshaltungskosten wie Ernährung, Kleidung und Gesundheit besser abzudecken.

2. Verbesserte Wohnkostenübernahme: Eine umfassende Überprüfung und Anpassung der Regelungen zur Übernahme von Wohn-, Strom-, und Heizkosten, um sicherzustellen, dass Mieten, Neben-, Strom- und Heizkosten in angemessenem Rahmen vollständig übernommen werden.

3. Schaffung eines Anspruchs auf Übernahme für kostenintensive Einmaliger Beihilfen: Die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf die Übernahme von finanziellen Belastungen für notwendige Anschaffungen, wie Elektrogroßgeräte, digitale Endgeräte, Brillen sowie die Kosten von Beerdigungen und für die Beschaffung von Personalausweisen und Reisepässen.

4. Abschaffung von Sanktionen: Die vollständige Abschaffung von Sanktionen bei Nichteinhaltung von Auflagen, um den Druck auf Betroffene zu verringern und eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten.

5. Keine Vorläufige Einstellung von Leistungen: Die Möglichkeit, Leistungen vorläufig einzustellen, stellt einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, da sie deren Lebensgrundlage gefährdet. Solche Entscheidungen dürfen nicht mehr im Ermessen der Sachbearbeiter liegen. Stattdessen sollte eine vorläufige Einstellung von Leistungen ausschließlich mit Zustimmung eines Richters erfolgen, um den rechtlichen Schutz der Betroffenen zu gewährleisten und willkürliche Entscheidungen zu verhindern.

6. Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen: Ausbau und Verbesserung von methodisch fundierten Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten für Langzeitarbeitslose, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen.

7. Psychosoziale Unterstützung: Wer lange ohne Job ist, und kein Einkommen hat, ist häufiger krank als der Rest der Bevölkerung. Daher ist es entscheidend, psychosoziale Unterstützung bereitzustellen. Darüber hinaus ist eine verbesserte Vernetzung zwischen der Sozialen Arbeit und Jobcentern unerlässlich, um langzeitarbeitslose Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

8. Verbesserung der Leistungen beim Bürgergeld für Kinder: Kinderarmut ist stigmatisierend und darf nicht länger hingenommen werden. Es ist Zeit, die Chancengleichheit für alle Kinder zu gewährleisten!

Ich möchte Sie nachdrücklich bitten, die genannten Forderungen in den Koalitionsverhandlungen zu erörtern und sich für eine „Neue Grundsicherung“ einzusetzen. Es ist offensichtlich, dass die zunehmende Ungleichheit das Kardinal-Problem unserer Gesellschaft darstellt – man muss kein Marxist oder Linker sein, um dies zu erkennen. Sie sollten eine Zukunft anstreben, in der jeder Mensch in Würde leben kann. Angesichts der wachsenden sozialen und politischen Spaltungen ist es von entscheidender Bedeutung, Solidarität und sozialen Zusammenhalt zu fördern. Diese Verantwortung liegt in Ihren Händen als Verhandlungsteilnehmer.

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, diesen Brief auch Dr. Joachim Rock, dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Michael David, dem Koordinator der Nationalen Armutskonferenz, sowie Aktivisten, Sozialverbänden, Politikern, Mitgliedern der Arbeitsgruppe für die Koalitionsverhandlungen im Bereich Arbeit und Soziales und Journalisten zugänglich zu machen.

In der Hoffnung auf einen einfühlsameren Umgang mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen.

Mit freundlichen Grüßen

Unterschrift Thoams Wasilewski
 

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