Wir brauchen einen Perspektivwechsel

cover 06 12Privatisierung, Deregulierung und ausufernde Gier haben im letzten Jahrzehnt zu einer Entfesselung der Märkte geführt. Auch der Arbeitsmarkt wurde von einer Lawine der Zerstörung von Schutz- und Sicherheitsrechten überrollt: Prekäre Beschäftigungsformen, wachsende Armut und steigende gesellschaftliche Spaltung waren die Folge.

In fast allen westlichen Industriestaaten wurden alte Sicherheiten erschüttert. Viele Menschen zweifeln, ob das kapitalistische Wirtschaftssystem noch trägt. Fünf Jahre Finanz- und Bankenkrise, die fortgesetzte Staatsverschuldung, exzessive Gehälter und Hungerlöhne haben tiefe Systemzweifel und -debatten entstehen lassen.
Während Spitzeneinkommen steigen, stagniert seit Jahren die Lohnentwicklung. Die Zahl der prekär Beschäftigten kletterte im letzten Jahrzehnt kontinuierlich auf fast acht Millionen Menschen. Der Niedriglohnsektor stellt demnach bei über 41 Mio. Beschäftigten einen erheblichen Anteil an den Erwerbstätigen. Niedrige Löhne haben – neben einer Schwächung der Binnennachfrage – erhebliche soziale Folgen: Die Betroffenen haben selten Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg I) und rutschen direkt in die Grundsicherung (Alg II bzw. Hartz IV). Außerdem wächst mit jedem Jahr im Niedriglohnbereich das Risiko von Altersarmut.
Ohne eine aktive Arbeitsmarktpolitik und ohne eine neue Ordnung der Arbeit droht eine dauerhafte Spaltung des Arbeitsmarktes in Fachkräftemangel und verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit sowie prekäre Beschäftigung. Menschen, die hart arbeiten, müssen von ihrer Arbeit leben können. Der gerne von Politikern der Bundesregierung zitierte Satz „Sozial ist, was Arbeit schafft“, stimmt eben nicht.

Bei einem Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent wird es auf dem deutschen Arbeitsmarkt in diesem Jahr voraussichtlich 2,84 Mio. Arbeitslose geben. Das wären gerade einmal 130.000 weniger als im Jahr 2011 mit 2,97 Arbeitslosen (BA-Prognose für 2012). Die Zahlen machen deutlich: Der Abbau der Arbeitslosigkeit vollzieht sich mittelfristig in einer marginalen Größenordnung – insbesondere dann, wenn er durch drastische Mittelkürzungen bei der Arbeitsförderung, wie jüngst durch die sog. Instrumentenreform geschehen, abgebremst wird. Zum Nachteil der Arbeitslosen mit Vermittlungsschwierigkeiten. Dazu zählen unter den knapp drei Mio. Arbeitslosen Ende März 2012 insbesondere: Ältere (561.000), Jugendliche (284.000) und Langzeitarbeitslose (955.000). Diesen Menschen die Chance zu geben, ihr Potenzial in  Beschäftigung, beruflicher Bildung oder auf einem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt – dem sich die derzeitige Bundesregierung verweigert – einzusetzen, hat in einer Arbeitsgesellschaft viel mit Menschenwürde zu tun. „Wir haben den Menschen in den Mittelpunkt gestellt“, war die zentrale Botschaft der Ministerpräsidentin im NRW-Wahlkampf. Sie hat mit den Menschen auf der Straße über die Themen gesprochen, die in deren Lebenswirklichkeit eine Rolle spielen. Sollte sich diese Maxime, dass Politik von den Menschen herdenken muss, auch nach Wahlkämpfen auf den politischen Handlungsfeldern abbilden, dann wäre in der Tat ein Perspektivwechsel
zu gewärtigen. Und welch gutes Gefühl müssten doch Politiker entwickeln, wenn sie im Interesse des Souveräns, des Volkes, handeln würden – und nicht mehr Getriebene von Interessengruppen wären. Für die Regierungschefs der Europäischen Union gebe es, wie Norbert Blüm ineinem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung vom 18. 05. 2012 meint, nichts Wichtigeres als die Frage, ob ihre Beschlüsse Gnade bei den „Märkten“ fänden. Die Märkte liebten Opfergaben: Lohnkürzungen und Streichungen der Sozialausgaben. Dann ließen sie die Wirtschaft wachsen. Norbert Blüm weiß, dass einer solch menschenverachtenden Logik der neoliberale Nährboden entzogen werden muss und Arbeit wieder Vorrang vor Kapital gebührt.

|Dr. Robert Manstetten

Lesen Sie mehr im Bündnisbrief Juni 2012

 

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