Träumen ist möglich - Kämpfen ist nötig

Den Klassenkampf natürlich, Reich gegen Arm, und meine Klasse, die Reichen, die gewinnen gerade.“

Multimilliardär Warren Buffet auf die Frage, was er für den zentralen Konflikt unserer Zeit hält.

Cover BB Mai 2023Tosender Beifall, wie man ihn sonst aus dem deutschen Bundestag nicht kennt, brandete auf, als Bundeskanzler Olaf Scholz seine Rede zur Lage der Nation beendet hatte. Was hatte die Abgeordneten so sehr beeindruckt, dass sie geradezu „aus dem Häuschen“ waren?

Der Bundeskanzler hatte eine neue Zeitenwende verkündet. Er hatte den Menschen in Deutschland das Versprechen gegeben, dass nichts mehr so sein würde wie vorher. Aber er sprach nicht über mehr Waffen und Krieg. Er überraschte mit dem Eingeständnis, dass der Staat in den letzten Jahrzehnten seine wichtigste Aufgabe,
die Daseinsfürsorge und -vorsorge der BürgerInnen, völlig vernachlässigt habe. Auf seine Zeitenwende-Rede zu Beginn des Ukraine-Krieges Bezug nehmend, sprach er sogar davon, dass auch ihm selbst aus dem Blick geraten sei, wie viele Menschen in unserem Land ihre existenziellen Nöte als Folge eines Krieges erleben, den die reichen und mächtigen Gruppen im Staat gegen die Armen und Elenden führen, gestützt auf eine unsoziale und ungerechte politische Agenda. Dieser Krieg innerhalb der Gesellschaft müsse sofort und nachhaltig beendet werden. Olaf Scholz nahm kein Blatt vor den Mund, sondern benannte den größten Fehler der Regierenden und der Legislative, die Privatisierung der bedeutendsten Aufgaben eines Staates für seine BürgerInnen. Er habe begriffen, dass auch seine eigene Partei, weil sie den Rückzug des Staates aus allen Bereichen, die für ein Leben ohne existenzielle Nöte und ohne Angst wichtig sind, der Mehrheit der Menschen gegenüber unverantwortlich gehandelt habe. Es sei missachtend ihnen gegenüber, ihre Grundbedürfnisse wie Wohnen, Gesundheit – inklusive Ernährung –, Verkehr und Altersvorsorge, privater Willkür und Profitgier zu überlassen.


Für ein Land wie unseres, so der Bundeskanzler, eines der reichsten Länder der Welt, sei es eine Schande, dass die Zahl der armen, prekär lebenden Menschen in Relation genauso schnell wachse wie die der Milliardäre und Millionäre. Wenn RentnerInnen zur Monatsmitte nicht mehr wüssten, wovon sie Lebensmittel kaufen sollen, wenn die Zahl der Menschen, die auf „Tafeln“ angewiesen sind, rasant steige, und wenn ein Viertel der dort wegen Hungers anstehenden Bedürftigen Kinder und Jugendliche seien, habe die Politik versagt. Wir PolitikerInnen, so die berührenden Worte des Kanzlers, müssen anerkennen, dass wir bisher nicht
entschlossen gegen diese unhaltbaren Zustände vorgegangen sind. Mit der Agenda 2010, sprach der Kanzler sichtlich geknickt, haben wir endgültig eine Schamgrenze überschritten. Das Wohl der Menschen einem Markt auszuliefern, dessen Dynamik ausschließlich an Renditen für die Besitzenden orientiert ist, sei der schwerwiegendste und unverzeihlichste Fehler der letzten siebzig Jahre gewesen. Deshalb, so fuhr Olaf Scholz fort, habe die Regierung ein Programm aufgelegt, das eine wirkliche Zeitenwende einläute. Die Bundesregierung werde ein Sondervermögen von 300 Milliarden Euro aufl egen, das in den nächsten zehn Jahren für sozialen Ausgleich in der Gesellschaft sorgen und die Versäumnisse der Vergangenheit korrigieren solle. Die Privatisierung des Wohnungswesens werde rückgängig gemacht, jedem Menschen stehe eine angemessene, bezahlbare und gesunde Wohnung zu; das Gesundheitswesen werde ebenfalls wieder in die öffentliche Hand überführt, eine wohnortnahe Versorgung mit allen medizinischen Diensten sei eine der wichtigsten staatlichen Aufgaben, einschließlich der sicheren Versorgung mit notwendigen
Medikamenten, weshalb die Pharmaindustrie staatlicher Kontrolle unterstellt werde; Bezahung und personelle Ausstattung aller medizinischen und sozialen Dienstleistungen sollen sich ausschließlich an den Bedürfnissen kranker und pfl egebedürftiger Menschen orientieren; der öffentliche Nahverkehr werde nicht nur
schnellstmöglich ausgebaut, er werde kostenlos sein, damit jeder Mensch ihn nutzen könne und das Klima geschützt werde, entsprechend werde der individuelle Autoverkehr nachhaltig begrenzt. Für Kinder, fuhr der Kanzler mit kräftiger Stimme fort, habe der Staat eine besondere Verantwortung, er werde deshalb Betreuung, Bildung und Ausbildung für jedes Kind zu seinem ganz persönlichen Anliegen machen, Kinder seien für die Zukunft einer Gesellschaft die wichtigste Investition. Diese und weitere Teile seines Zeitenwende-Programms, so der Bundeskanzler, müssten finanziert werden, „und wir wissen auch, wie das gehen kann“. Erbschaften werde es nur noch  in einem eng defi nierten Rahmen geben, privat angehäufte Reichtümer müssten der Allgemeinheit zur Verfügung stehen; es werde wieder eine Steuer auf Vermögen geben, gestaffelt bis zu 90 Prozent, und eine Einkommenssteuer in gleichen Größenordnungen; Steuerflucht und Steuerbetrug würden durch personelle und finanzielle Aufstockung der Finanzbehörden rigoros unterbunden.(...)

Lesen Sie weiter im Bündnisbrief Mai 2023

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