„Es gibt viele Arten zu töten …

… zum Beispiel einen in eine schlechte Wohnung stecken“ Berthold Brecht

Cover BB Nov18Liebe Wohnungssuchende, liebe Hartz-IVEmpfängerInnen, liebe alleinstehende Mütter, liebe MigrantInnen, eine frohe Botschaft für Sie: Es gibt jetzt das Baukindergeld, damit Sie sich Ihren Traum vom Häuschen im Grünen endlich erfüllen können. Oder hat vielleicht Ihr Vermieter, wegen der Mietpreisbremsenkeule vor Angst schlotternd, seine schamlosen Mietpreissteigerungen der letzten Jahre reumütig zurückgenommen? Wenn nicht, keine Sorge, in Ihren Heimatstädten werden Tausende Wohnungen gebaut, extra für Sie, oder wohnen Sie vielleicht schon, wenn Sie etwa in Mönchengladbach leben, glücklich und von der luxuriösen Ausstattung überwältigt, am Bökelberg oder an den Roermonder Höfen?

in bitterer Spaß, fürwahr: Die Wohnungspolitik – wie die Sozialpolitik, die Rentenpolitik, die Gesundheitspolitik, die Bildungspolitik – der von Ihnen gewählten MandatsträgerInnen und der staatlichen Institutionen nimmt Ihre Bedürfnisse und Ihre Nöte längst nicht mehr  wahr, hat Sie schlicht und einfach vergessen. Die so wohlsituierten wie ignoranten Mitmenschen auf Wolke sechs oder sieben können sich von dort oben schließlich nicht um jedenarmen Schlucker kümmern. Deshalb müssen sie die prekär Lebenden aus ihrem Aktionshorizont ausgrenzen, schon seit langem, aber mit offener Aggressivität Ihnen gegenüber seit der Agenda 2010, mit verheerenden Folgen für viele Menschen: Das krankmachende und letztlich, wie Berthold Brecht so treffend sagt, tötende Elend zahlloser Menschen, ist gesetzlich verankert und politisch gewollt, bundes- wie lokalpolitisch.

Den Anspruch auf lebenswerte Existenzbedingungen, zu denen Wohnraum zum Wohlfühlen gehört, haben die PolitikerInnen dieses Landes denjenigen zum Fraß zugeschanzt, die sich an ihm skrupellos bereichern: Investoren, Wohnungsbaukonzernen, Maklern. Der Kölner Kardinal Woelki nennt „Wohnen ein Menschenrecht“ (Rheinische Post, 15. September) – ich ergänze, was er eigentlich hätte hinzufügen müssen: Wer Recht bricht, ist ein Verbrecher. Wer vom „Wohnungsproblem“ spricht, muss wissen, dass es Teil einer neoliberalen Umverteilungspolitik von unten nach oben ist, also beabsichtigt. Wohnungsnot ist Ergebnis einer politisch ökonomischen Strategie der gesellschaftlichen Ausgrenzung von immer mehr Menschen, die arm sind, prekär leben, ins existenzielle Elend getrieben werden. Wahlgeschenke wie Baukindergeld oder die völlig unzulängliche Aufstockung der Gelder für sozialen Wohnungsbau oder höheres Wohngeld, verhöhnendie Ausgestoßenen zusätzlich: Die Krankheit, an der sie wirklich leiden, dass eines ihrer menschlichen Grundbedürfnisse zur sprudelnden Quelle für überdimensionale Renditen, sprich: Profite, pervertiert worden ist, darf weiter wuchern. Wenigsten in dieser Hinsicht ist herrschende Politik volksnah, indem sie bestätigt: Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen!

Mit ihren asozialen Handlungskonzepten gefährden die verantwortlichen PolitikerInnen die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens: Erstens ignorieren sie die unverrückbare Tatsache, dass die deutsche Verfassung in Artikel 1 – „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – sie und den Staat verpflichtet, jeder Bewohnerin und jedem Bewohner dieses Staates ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten. Zweitens setzen sie sich über §14, Abs. 2 des Grundgesetzes bedenkenlos hinweg, der unmissverständlich ist: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ und nicht nur der privaten Bereicherung. Sie begehen Verfassungsbruch, wenn sie Menschen zwingen, auf der Straße oder unter krankmachenden, entwürdigenden Bedingungen zu leben, wie es Millionen in diesem reichen Land ergeht. Wenn die Verfassung nur noch zur Legitimation für Überwachung und Durchsetzung von Profitinteressen im Inland und für Kriegseinsätze im Ausland benutzt wird, hat die Demokratie ihre Substanz verloren. Wer die Wohnungsnot verschuldet, trägt deshalb auch Verantwortung für die drohenden Gefahren von (...)
 

Lesen Sie weiter im Bündnisbrief November 2018

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