Die Koalition der Blutsauger oder Die Verwüstung des Planeten Mensch

Manifest zur Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)

 
TitelseiteProlog
Warum noch ein Beitrag zur TTIP? Das „Bündnis für Menschenwürde und Arbeit“ will eine Antwort auf die Frage geben, was dieser Vertrag – auch THIP (Transatlantische Handels- und InvestitionsParnerschaft) oder TAFTA (Trans-Atlantic Free Trade Agreement) – für Menschen bedeutet, die in prekären Verhältnissen leben, hier und anderswo. Unsere Antwort bemüht sich um ein realitätsnahes Verständnis der Hintergründe, der Begleitumstände und der Folgen der TTIP.
 

I.Grundsätzliches zu TTIP und CETA

Akteure, Absichten und Ziele

Vor 15 Jahren scheiterte der Versuch von Unternehmern und Managern, mit einem Multilateralen Investitionsabkommen (MAI) die weltweit operierenden Großkonzerne gegen politische Einflussnahmen und öffentliche Interessen abzusichern, am öffentlichen und parlamentarischen Widerstand. Ein Hauptanliegen der beteiligten Konzerne, den gleichen Rechtsstatus wie die beteiligten Staaten zu erhalten, um gegen diese klagen zu können, wenn sie meinten, durch politische Entscheidungen Gewinneinbußen erlitten zu haben, verfolgten sie beharrlich weiter.

Jahrelang wurde hinter verschlossenen Türen zwischen Kanada und der EU-
Kommission ein Vertrag ausgehandelt, den die beteiligten Konzern- und politischen VertreterInnen am 13. Oktober 2013 unterzeichneten: CETA – Comprehensive Economic and Trade Agreement – verfolgt bis in die Einzelheiten die gleichen strategischen Ziele, es ist ein Steilpass für die TTIP-Entwickler: Wenn CETA ohne großen Widerstand die Parlamente passieren sollte, gäbe es quasi einen Präzedenzfall für den sog. Freihandel, den Politik und Kapital unkontrolliert verabreden. Die Bedeutung der TTIP wäre allerdings erheblich vermindert, weil alle wichtigen amerikanischen Konzerne Niederlassungen in Kanada haben, sodass auf diesem Umweg die angestrebten Ziele ohnehin erreicht werden könnten. Für die europäischen Unternehmen scheint die Lage etwas komplizierter zu sein, weil Kanada für
sie nicht die gleiche Bedeutung wie für die USA hat, aber es wäre blauäugig, aus dieser Asymmetrie abzuleiten, dass die EU auf die Bremse tritt: Es geht letztlich nicht so sehr um Details und das eine oder andere Ungleichgewicht, sondern um fundamentale gemeinsame Interessen, so dass, bei aller Konkurrenz der Konzerne untereinander, die Unterhändler Mittel und Wege finden werden, für alle Beteiligten genügend attraktive Vorteile zu vereinbaren.

Das strategische Grundmuster

von TTIP und CETA Alle bekannten Details der geplanten Abkommen lassen sich in ein strategisches Grundmuster einordnen: Deregulierung, Investitionsschutz, Ent-
rechtlichung. Das angestrebte Ziel: Profitsicherung ohne politisch gesetzte Grenzen.
Deregulierung: Regeln, also Gesetze und Verordnungen, die nach Meinung von Konzernvertretern Profite verhindern oder schmälern könnten, werden abgeschafft. Wohlklingende Etiketten wie „Harmonisierung von gesetzlichen Regelungen und Standards“, „Abbau unnötiger, nicht tarifärer Handels-
hemmnisse“, Verzicht auf „nicht handelsbezogene Bestimmungen“ verbergen die Tatsache, dass die Vertragsstaaten sich verpflichten, ihre politischen Entscheidungen an den Vorgaben der Abkommen zu orientieren. Nicht nur die vielzitierten „Chlorhühnchen“ fallen unter diese Entriegelung aller gesellschaftlich gewachsenen Mechanismen zum Schutz von Mensch und Natur. Egal, ob es um Ernährung, um Versorgung mit Medikamenten und ärztlicher Behandlung, ob es sich um die Rechte von ArbeitnehmerInnen oder die soziale Sicherung von Arbeitslosen und RentnerInnen, ob es sich um Kleidung oder um schulische und berufliche Bildung geht, ob um das tägliche Brot oder das noch wichtigere tägliche Wasser – so weit sie nicht ohnehin schon früher privatisiert und wirtschaftlichen Interessen
untergeordnet worden sind, sollen sie nun vollends dem „freien Marktverfügbar gemacht werden.

Investitionsschutz: Als in den sechziger Jahren mehrere Länder Afrikas und des Nahen Ostens die dort tätigen ausländischen Konzerne entschädigungslos hinauswarfen, entstand diese Idee, und als 1981 im Zug der iranischen Revolution eine Reihe amerikanischer Konzerne enteignet wurde, drangen diese in einem „Iran-US Claims Tribunal“ darauf, entschädigt zu werden. Geht es nach TTIP und CETA, kann künftig auch im transatlantischen Raum jeder Investor in irgendeiner Regelung ein aktuelles oder künftiges Hindernis für seinen Profit sehen.
Investitionsvorhaben können gezielt so gestaltet werden, dass sie zu einer Klage führen. Nicht mehr nur der Wettbewerb, also der Markt, entscheidet über Gewinne oder Verluste, sondern Profite lassen sich durch Ausgleichszahlungen, die eingeklagt werden, wenn es mal nicht so gut läuft, abfedern. Sollte sich herausstellen, dass ein Produktionsverfahren oder ein Produktionsstandort gefährliche Auswirkungen auf Mensch und Natur haben, können Politik oder Verwaltung zwar eingreifen, laufen aber Gefahr, für Gewinne, die dem Unternehmen entgehen, und für verlorene Investitionen mit Steuergeldern bezahlen zu müssen.
Die absurden Pointen: Investoren können eine Rechnung über Einkünfte aufmachen, die ihnen in Zukunft entgehen würden, und sie ebenfalls vom Staat einfordern; und  Finanzjongleure könnten beliebige Firmen gründen, nachdem sie die örtlichen Regelungen und Verordnungen genauestens studiert haben, deren einziges Ziel darin bestünde, künftige Gewinne einzufordern, weil sie sich von Behörden behindert sehen. Dem Zugriff auf das Staatsvermögen, auf die Staatseinkünfte werden Tür und Tor geöffnet – nicht zuletzt ein Weg, Unternehmenssteuern auf elegante Weise wieder in die eigenen Taschen umzuleiten.
 
Entrechtlichung: Nun könnte man meinen, diesen Gefahren sei leicht zu begegnen, handelt es sich doch um rechtsverbindliche Abkommen, so dass beteiligte Staaten sich gegen solche raffinierten Manöver zur Wehr setzen können. Dieser Einwand stimmt – vor allem aber stimmt er nicht.
CETA und TTIP schaffen einen paradoxen, sprich: rechtlich geordneten rechtsfreien Raum, der durch die Schiedsgerichte definiert wird, die in den Abkommen als Institutionen für die Streitschlichtung vorgesehen sind.
Rechtliche Ordnung herrscht insofern, als überhaupt eine Schlichtungsinstanz vertraglich fixiert wird, über die Staaten Manifest zur Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) Ansprüche von Konzernen abwehren können. Rechtsfrei ist dieses Verfahren, weil die Schiedsgerichte als einzigen Rechtsrahmen das jeweilige Abkommen kennen, also im unmittelbaren europäischen Einzugsbereich CETA und TTIP. Deren Rechtsstatus hebelt andere Rechtsnormen geschickt aus: Schiedsgerichte bestehen aus drei Parteien: den Konzernen, den Staaten und den VertreterInnen von spezialisierten Anwaltsbüros.
♣♣ Da solche Anwaltsbüros häufig Konzerninteressen auch in anderen Zusammenhängen vertreten, kann an ihrer Unparteilichkeit gezweifeltwerden.
♣♣ Die Verhandlungssummen gehen oft in die Hunderte von Millionen, an ihnen bemisst sich das Honorar der Anwälte. Alleine die Tatsache, dass ein Staat von einem Konzern vor ein Schiedsgericht gezerrt wird, kostet den Staat Gebühren in einer Größenordnung, die den lebenslangen Verdienst der meisten Menschen bei weitem übersteigen. Es genügt wenig Phantasie, um sich vorzustellen, dass schon ein halbes Dutzend solcher Verfahren einen Staatshaushalt enorm belasten kann.
♣♣ Vergleichbar sind die Schiedsgerichte dem deutschen zivilrechtlichen Verfahren, das häufig mit einem Vergleich abgeschlossen wird. Die Schiedsgerichte werden sich in der Regel um einen Ausgleich zwischen Konzern- und Staatsinteressen bemühen. So weit, so gut. Weniger guten Eindruck machen die Summen, um die es geht: Verlangt ein Konzern von einem Staat z.B. 200 Millionen Euro Schadenersatz, wäre selbst ein Vergleich, der ihm nur die Hälfte dieser Summe zuspräche, eine erhebliche Belastung für den Staatshaushalt, eine Hochrechnung auf ein halbes Dutzend oder mehr Verfahren mit ähnlichem Ausgang würde ihn mit Sicherheit in große Nöte bringen. Durch diese hinter verschlossenen Türen in irgendwelchen Hotels geschlossenen Vergleiche kann kein nationales Gesetz, kein Verfassungsgericht, kein Bundesgerichtshof einschreiten. Zwar bleiben nationale Gesetze bestehen, werden keine höchstrichterlichen Entscheidungen verhindert, ihre Konsequenzen aber können teuer, ja epochal werden: Entweder ziehen sie neue Schiedsgerichtsverfahren nach sich und werden
dadurch irgendwann unbezahlbar, oder die politische Konsequenz besteht in einem Austritt aus dem Abkommen – aber es muss erstens damit gerechnet werden, dass in den geheimen Verhandlung horrende Konventionalstrafen für diesen Fall vorgesehen werden, zweitens wird ein solcher Schritt praktisch unmöglich, weil er, etwa bezogen auf Deutschland, einen Austritt aus der EU bedeuten würde.
 

II.Die Rolle der Politik

Es kann nicht überraschen, dass Investoren, Unternehmer, Manager ein starkes Interesse an TTIP und CETA haben. Aber was versprechen sich dienationalen, die europäischen Politiker von diesen Abkommen? Wirtschaftliche Wachstumsraten von 0,5 Prozent in zehn Jahren, die unabhängige Experten errechnet haben, sprächen eher gegen, überzeugende Gründe für solche Freihandelszonen sind nicht erkennbar. Worin also besteht das politische Interesse?

Das Kapitalverhältnis

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – die Ziele der französischen Revolution gleiten durch die Gedankenwelt, in der sich freier Handel, Freihandelsabkommen, Partnerschaft usw. assoziativ begegnen. Könnten TTIP und CETA,
entgegen aller Kritik und Vorbehalte, Schritte zu mehr Gerechtigkeit und ein von existenziellen Nöten unbelastetes Leben für alle Menschen sein, wie uns viele PolitikerInnen weismachen wollen? Sehen wir genau hin:
Grundlage kapitalistischer Verhältnisse sind das Privateigen (...)

Lesen Sie weiter im Bündnisbrief Sommer 2014

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